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Greenwashing wird immer schwieriger

Alle wollen grün sein. Viele behaupten es. Nicht alle sind es. Das nennt man Greenwashing. Und der Gesetzgeber verfolgt das immer härter. Die EU-Kommission arbeitet an Gesetzesverschärfungen und immer mehr prominente Fälle landen vor Gericht. Mit umweltfreundlichen Maßnahmen zu werben ist gefährlich geworden. Barbara Kuchar und Beatrice Blümel von KWR Rechtsanwälte aus Wien haben in einem Webinar zusammengefasst, auf was Unternehmen achten müssen, wenn sie ihre nachhaltigen Bemühungen in den Vordergrund stellen wollen. Tourismusscout Thomas Askan Vierich war dabei.

Die EU-Kommission hat 2020 in einer Studie 1600 Webseiten unter die Lupe genommen: Liegt ein Fall von Greenwashing vor? 80 Prozent der Websites hatten mit Green Claims geworben, davon 50 Prozent vage, irreführend und unbegründet. Ergo: ein Fall von Greenwashing. Bei 40 Prozent war die Grenze zum Greenwashing zwar nicht erreicht, aber der Nachweis der Nachhaltigkeit war auch hier unzureichend.

In Österreich läuft seit 2021 der Greenwashing Check des VKI, der laufend Klagen einreicht. Mit Erfolg. Auf der Webseite der Konsumentenschützer werden die schwarzen Schafe gebrandmarkt: „Gösser: Gut, besser, Greenwasher“, „ARGE Heumilch: ARGE Täuschung“, „AUA: wegen Greenwashing verurteilt“, „Bellaflora – die grüne Nummer 1“, die sich als „Greenwasher Nr.1“ herausstellte.

Prominent am Pranger

Was war passiert? Der Gartenmarkt Bellaflora warb mit dem Claim „Die Welt der grünen Nr.1“. Aber was heißt das konkret? Dass beim Unternehmen alles klimaneutral, nachhaltig und öko ist? Oder doch nur, dass man halt mit Pflanzen handelt, die meistens grün sind? Das Erste wurde suggeriert, das Zweite war die Realität.

Die Brauerei Gösser warb mit „CO2-neutral gebrautem Bier“. Das stimmte auch. Sie nutzen in ihrer Brauerei klimaneutralen Strom. Leider machten die Steirer den Fehler, auf ihrer Homepage auch auf das Mälzen einzugehen. Und das Malz kaufen sie zu – und das wird nicht klimaneutral produziert.

Die AUA warb damit, man könne mit ihr CO2-neutral zur Biennale in Venedig fliegen. Weil ihre Flugzeuge mit dem umweltfreundlichen Kraftstoff SAF betankt würden. In Wahrheit wurde der nur zu einem Anteil von 5 Prozent dem üblichen Kerosin beigemischt. Es ist technisch gar nicht möglich mit 100 Prozent SAF zu fliegen. Eine klare Irreführung. Und damit ein Verstoß gegen das UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), also Greenwashing.

Der Begriff „klimaneutral“ ist ohnehin sehr vage und steht auf der Abschussliste der Gesetzgeber. Der BGH verhandelt am 18.4.2024 die generelle Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“. Die EU-Kommission hat im Rahmen des European Green Deals in der EmpCO (Consumer Empowerment)-Richtlinie vom Jänner diesen Jahres festgelegt, dass man nicht mehr mit Klimaneutralität werben darf, wenn man diese nur aufgrund von Kompensationsmaßnahmen erreicht. Die Richtlinie soll bis Anfang 2026 umgesetzt werden und ab Ende 2026 in Kraft treten.

„Die Gesetzeslage ist in Österreich ohnehin recht streng“, sagen die beiden Anwältinnen. „Jetzt soll und wird Europa nachziehen.“ Das habe allerdings zu einer gegenteiligen Entwicklung zum Greenwashing geführt: dem Green Hushing. Wenn es so riskant ist, mit „grünen“ Claims zu werben, dann lassen wir es lieber ganz. Siehe Gösser, die ja niemanden betrügen oder in die Irre führen WOLLTEN. Es aber aufgrund schlecht abgestimmter Werbemaßnahmen letztendlich getan haben.

Das Problem ist auch, dass die geltende Rechtsprechung im Zweifelsfall immer von der für den Werbenden ungünstigsten Auslegung ausgeht. Ist Bio-Gas wirklich umweltfreundlich? Oder nur im Vergleich zu konventionellem Gas umweltfreundlicher? Wenn ich sage, ich beziehe meinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen: Was heißt das konkret? Wirklich zu 100 Prozent? Immer? Oder doch nur zu 98 Prozent, zumindest manchmal. Und 98 sind eben nicht 100 – und deshalb wäre die Werbung mit diesem Green Claim irreführend, also verboten.

Schwarze Liste

Im geltenden Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gibt es eine „Schwarze Liste“ von Dingen, die man nicht tun darf:

  • Wenn man mit einem Umweltsiegel wirbt, dann muss man auch wirklich die Kriterien für dieses Siegel erfüllen (und nicht lediglich beabsichtigen, diese zu erfüllen).

Jetzt soll diese Liste europaweit erweitert werden.

  • Zum Beispiel auf fehlende Angaben, die die Lebensdauer eines Produkts gezielt beschränken.
  • Oder das Fehlen eines konkreten Nachweises zu einer allgemeinen Umweltaussage.
  • Verboten sollen auch Aussagen über das gesamte Produkt sein, wenn sie in Wirklichkeit nur einen Teil betreffen (z.B. lediglich die Verpackung).

So etwas kommt zur Genüge vor. Wenn zum Beispiel damit geworben wird, dass die Verpackung „biologisch abbaubar ist“, muss das künftig konkreter formuliert sein: „Die Verpackung ist bei industrieller Kompostierung in 90 Tagen biologisch abbaubar“. Und die Spezifizierung der Aussage muss auf dem gleichen Medium (zum Beispiel auf der Verpackung) klar und hervorgehoben angegeben werden.

Aussagen über künftige Umweltleistungen ohne klare objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele werden verboten. Aussagen wie „klimaneutral bis 2050“ reichen nicht mehr.

„Man muss generell die Kaufsituation berücksichtigen“, erklären die Anwältinnen Kuchar und Blümel. „Dem Konsumenten oder der Konsumentin ist nicht zumutbar, sich vor der Kaufentscheidung über einen QR-Code, der zu einer umfangreichen Homepage führt, über den Wahrheitsgehalt der Green Claims zu informieren.“ Ergo: Wenn auf der Verpackung eines Shampoos ein irgendwie grüner Aufkleber oder ein irgendwie umweltfreundliches Symbol erscheint, dann muss klar sein, dass dieser Hinweis begründet ist. Und die Erklärung muss glaubwürdig und klar lesbar ebenfalls auf der Verpackung angebracht werden. Diese Erklärung muss eindeutig und unmissverständlich sein.

Dann darf eben nicht mehr auf dem Etikett eines Bio-Weins stehen: „Reduziert Deinen CO2-Fußabdruck!“ Denn diese Aussage bezieht sich in Wahrheit nicht auf den Wein, sondern lediglich auf die Flasche, die aus Altglas unter Verwendung von Ökostrom erzeugt wurde. Dann kann man nicht mehr wie Hello Fresh mit einer „CO2-neutralen Kochbox“ werben. Noch dazu des „ersten globalen klimaneutralen Kochbox-Unternehmens“. Wenn in Wirklichkeit doch nur „100% unserer direkten CO2-Emmissionen kompensiert“ werden, wie es kleingedruckt darunter heißt. Kompensieren reicht nicht mehr. Man muss schon selbst etwas tun. Und das nachweisen (können).

Was sind die Folgen bei Verstößen gegen das UWG?

Auf alle Fälle ganz schlechte PR. Und man wird dazu verpflichtet, diese Werbung umgehend zu unterlassen. Man muss also seine Homepage ändern, Werbematerialien einstampfen, teure Radio- oder TV-Spots zurückziehen. Darüber hinaus könnte man zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet werden. Theoretisch müssen die Produkte innerhalb von 24 Stunden aus dem Verkehr gezogen werden – in jeder Filiale. Da kommt beim Partner im Handel wenig Freude auf…

Wird so eine Verfügung erlassen, hat man nur 4 Wochen Zeit, um einer Inkraftsetzung zu widersprechen. Das ist sehr wenig. Die Anwältinnen raten in jedem Fall Unterlagen, die die Rechtmäßigkeit des grünen Werbeclaims nachweisen können, bereitzuhalten. Und man dürfe sich auf gar keinen Fall darauf verlassen, dass man das schon seit Jahren so gemacht habe und dass das doch immer gut gegangen sei. The times they are a-changing, wie schon Bob Dylan in den 1960er Jahren sang….

Außerdem muss man ein eventuelles Urteil prominent veröffentlichen, zum Beispiel großformatig  in der Kronenzeitung. Und das kostet. Und ist peinlich.

Green Claims Richtlinie der EU

Und die Gesetze werden noch schärfer: Die EU-Kommission arbeitet seit März 2023 an einer Green Claims Richtlinie. Die Verhandlungen dazu laufen, mit einer Umsetzung rechnet man bis 2027. Das Ziel ist eine europaweite Anpassung und Vergleichbarkeit von Green Claims, also „grüner“ Werbung.

Der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutivpräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, sagt: „Umweltaussagen sind allgegenwärtig: von ozeanfreundlichen T-Shirts, CO2-neutralen Bananen und bienenfreundlichen Säften bis hin zum Versand mit 100-prozentiger CO2-Kompensation. Leider entbehren diese Aussagen nur allzu oft jeglicher Nachweise oder Begründung. Dies öffnet Grünfärberei Tür und Tor und benachteiligt Unternehmen, die wirklich nachhaltige Produkte herstellen. Viele Europäerinnen und Europäer wollen durch ihr Kaufverhalten zu einer nachhaltigeren Welt beitragen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie den Umweltaussagen vertrauen können.“

EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius ergänzte: „Auf dem EU-Markt gibt es 230 verschiedene Umweltzeichen. Es ist wichtig, Umweltaussagen und -zeichen auf Produkten vertrauen zu können. Die heute von der Kommission vorgelegten Vorschläge werden Unternehmen und Verbraucher vor schädlichen Greenwashing-Praktiken schützen und dem Wildwuchs von Zeichen und Siegeln Einhalt gebieten. Wir wollen dazu beitragen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Kaufentscheidungen fundiert treffen können, und dafür sorgen, dass Unternehmen belohnt werden, die echte Anstrengungen unternehmen, um ihre Auswirkungen auf die Natur, die Ressourcennutzung, klimawirksame Emissionen und die Umweltverschmutzung zu verringern.“

  • Dann sollen ausdrückliche Umweltaussagen ex ante einer Prüfung anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs unterzogen werden müssen.
  • Aussagen ohne wissenschaftlichen Beleg sollen verboten werden.
  • Beworbene „grüne“ Aussagen müssen „bedeutend“ sein und sich nicht nur auf Details beziehen (siehe Bio-Wein).
  • Man ist dazu verpflichtet, grüne Aussagen ständig zu aktualisieren, spätestens nach fünf Jahren.
  • Wenn man mit Umweltzeichen wirbt, muss man Angaben über die Zertifizierung machen: Wer vergibt aufgrund welcher Kriterien dieses Siegel?
  • Kompensationszertifikate werden generell nicht mehr ausreichen. Diese beliebten „Ablasszahlungen“ werden also so gut wie verschwinden – oder nur noch ZUSÄTZLICH zu eigenen Bemühungen zur Anwendung kommen.

Das alles heißt aber nicht, dass man nicht mehr darüber reden kann, wenn man Gutes tut. Man muss nur darauf achten, wie man darüber redet. Ob man Allgemeinplätze verwendet. Ob man widersprüchliche Angaben macht – auch in unterschiedlichen Medien (siehe Gösser). Und man muss sich in jedem Fall vor einer wohl häufiger zu erwartenden Klage von Verbraucherverbänden und anderen Interessengruppen wappnen. Indem man jederzeit nachweisen kann, dass man nichts Falsches und nichts Irreführendes behauptet. Natürlich können die SpezialistInnen der KWR da im Vorfeld helfen.

Titelbild: pixabay, Francesco Scatena
Text: Thomas Askan Vierich
5. März 2024
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